Lieber Zeuge,
ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, inwiefern deine Erklärung nicht eine sehr starke (oder zu starke) Vereinfachung komplexer Zusammenhänge darstellt. Ich meine etwas überspitzt formuliert darf ich doch wohl nicht davon ausgehen, dass meine Ururururur.....enkel im Alter von bereits 4 Jahren ihre eigenen Getränke öffnen, weil spätestens ich die Lösung "Flaschenöffner für Kronkorken" immer wieder anwende und in meinen Genen speichere. Zudem selbst angenommen die Vereinfachung wäre so akzeptabel.... dann käme es letztlich darauf an, wie du Sünde verstehst. Es gibt ja sowohl die Möglichkeit Sünde als "eine Handlung, die gegen die Gesetze der Religion verstößt" (Quelle: www.thefreedictionary.com) zu verstehen. Da eine Veranlagung noch keine entsprechende Handlung ist, könnte eine bloße Veranlagung könnte doch schwerlich eine Sünde sein, denn man muss ihr ja nicht nachgeben.
Letztlich dann zu sagen, dass Gott bei Christen diese Gene "ausbrennt", ist doch eine sehr glaubensgeleitete Annahme, die sich letztlich wieder nicht belegen lässt. (Zumindest wäre mir keine Studie bekannt, die von auffälligen Genveränderungen bei Christen spricht.) D.h. schlussendlich bleibt auch diese Annahme nur ein Glaube, warum ich diesen aber mit einer scheinbar wissenschaftlichen Erklärung untermauern muss, ist mir etwas schleierhaft.
Ob Erbsünde eine biologische Veranlagung zum Bösen hin ist, ich denke das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wenn ich Sünde anders definiere, nämlich im christlichen Sinne als „den unvollkommenen Zustand des Menschen, der von Gott getrennt ist“ (Quelle: Wikipedia), dann kann ich dem schon eher zustimmen. Denn in der Unvollkommenheit des Menschen ist letztlich begründet, dass er sich bei all seinem Handeln und Tun nie sicher sein kann, wie die Resultate aussehen werden. Er wird nie in der Lage sein alle Konsequenzen abzuschätzen und daher auch immer mit der Gewissheit leben müssen, dass jede Handlung auch "Schlechtes" oder "Böses" hervorbringen kann. Ja letztlich kann er meiner Meinung nach nicht einmal sicher abschätzen, ob die Quelle seiner Entscheidung eine sinnvolle ist, denn kaum einer ist (denke ich) in der Lage die unterschiedlichen Aspekte seines eigenen Wesens zu erfassen und zu ergründen, ob "niedere" Begierde und Egoismus oder doch vernünftige Einsicht und Rücksicht für die Entscheidung maßgeblich waren. Und auch wenn wir dies in unserem Denken akzeptieren und nüchtern die Schulter zucken ob dieser Problematik, so haben wir die Emotionen und auch die Schuldgefühle und Zweifel nicht unter Kontrolle.
Ich denke gerade weil in dieser Frage oft zwei völlig unterschiedliche Verständnisse von Sünde vorliegen (Handlung vs. Zustand), muss man dies explizit klären, um nicht in permanenten Missverständnissen gefangen zu sein.
Die Unvollkommenheit als Ursprung der Erbsünde sehen, diesen Schritt könnte ich mitmachen. Aber dann hat sie für mich nicht primär mit "bösem Verhalten" zu tun, im Gegenteil würde ich ihr zugleich eine wichtige (und letztlich positive) Funktion zuordnen, denn sie bringt uns immer wieder dazu unser Handeln neu zu überdenken und uns unserer Verantwortung vor Dritten gewahr werden zu lassen. Aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung.
Lieben Gruß
Kasper
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