Zitat Zitat von net.krel Beitrag anzeigen
Ahh... oki... ich glaub wir kommen uns da dann näher. Weil ich hab es bisher so, oder zumindest mitunter so, verstanden.


Schlüsselwort wäre dann "dann hat das Leid keinen echten Zugriff mehr auf mich"... oder Provisorium?
Na ja, das Leid hat keinen letzten Zugriff auf dich, oder es hat immer nur den Zugriff, den du ihm gewährst.

Das Problem mit dem Leid liegt ja auch darin begründet, dass man es nicht wirklich verhindern kann. Sehr häufig wird man auch mit Leid konfrontiert und dann ist es nur normal, dass man als emphatischer Mensch mitleidet, bzw. selbst unter der sich ergebenden Situation leidet.

Die Frage ist dann ganz einfach nur, welchem Zugriff ich dem Leid auf mich gewähre? Wenn ich mich selbst darin verstricke, mich nicht davon löse, die Auswirkungen des Leids in mir trage und nicht davon loslasse, dann bleibe ich natürlich auch im Leid gebunden. Wenn ich mich aber Gott zuwende, mir bewusst mache, dass in ihm geborgen bin, dann löst sich schon der Griff des Leides ganz automatisch.

Leider denken wir häufig aber in "Täter-Opfer-Rollen" und wenn uns Leid widerfährt, dann nehmen wir sehr gerne die Rolle des Opfers ein und das ist gar nicht gut. Es mag zwar für einen Moment tröstend und Genugtuung bringend wirken, aber als Opfer sehe ich vielleicht dann gar nicht mehr meine Verantwortung in dieser speziellen Situation und begebe mich allein in die Position des Ankägers, von der ich dann eventuell auch nicht lassen kann, weshalb es nicht zur Vergebung und Versöhnung kommen kann, was wiederum gar nicht gut ist, weil man sich so peu a peu mehr ins Leid und Opfersein verstrickt.

Das ist unter anderem auch ein Vorwurf Nietzsches, den er dem Christentum gemacht hat. Er meinte, dass das Christentum das Opfer vergöttlicht habe und nun alle Welt nach der Opferrolle streben würde. Und das ist ja auf jeden Fall auch richtig und verhindert, dass wir Menschen uns auf Augenhöhe begegnen können und uns zuvorderst bemühen selbst Verantwortung zu übernehmen, weil es in der Opferrolle ja soviel bequemer ist. Gerade auch dadurch wird dann immer wieder neues Leid geschaffen und es geschieht auf diese Weise auch sehr viel Unrecht und Ungerechtigkeiten.

Wenn man sich einmal bewusst macht, wie viele Menschen Tag für Tag an Unterernährung sterben, ohne das im hohen Maße etwas dagegen getan wird und auf der anderen Seite sich ein Mensch in seiner Unachtsamkeit ein bisschen heißen Kaffee überschüttet und dann Millionen Dollar von Schmerzensgeld erhält, dann merkt man doch, dass da was nicht stimmt.

Die wirklichen Opfer haben heute kaum ein Lobby und keine Stimme und andere Menschen kassieren aufgrund vorübergehender Befindlichkeitsstörung massiv ab - das ist schon verrückt! Und sicher lassen einen diese Dinge nicht unberührt und das ist auch ganz richtig so, aber jeder muss für sich die Weise finden, auf die er aktiv werden möchte. Ich habe mich zuvorderst für die Pflege entschieden und komme da täglich an meine Grenzen und fühle mich dem Leid gegenüber ohnmächtig. Aber dieses Leid ist halt nicht das letzte Wort und mit der entsprechenden Einstellung ist es auch weniger leidvoll.

Man muss auch als Deutscher gar nicht weit gehen, um etwas aktiv gegen Leid unternehmen zu können, aber häufig sind die Menschen so sehr von den Alltagssorgen und dem Geldverdienen beansprucht, dass sie keine weitere Kraft mehr für den Nächsten besitzen. Das vermute ich zumindest. Jedenfalls gibt es auch in Deutschland einen riesenhaufen Leid, den es aus der Welt zu schaffen gelte, aber da passiert leider nicht so wirklich was und die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch immer größer.

Mal sehen wohin das noch führt....:-)

LG
Provisorium