@Zeuge
Jesus sagt aber laut Johannes: "... der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, den ihr nicht kennt. Ich kenne ihn ..." (Joh. 7:28-29)
Dann schreibt Johannes noch: "Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat (ihn) kundgemacht." (Joh. 1:18)
Und noch: "Wir wissen aber, daß der Sohn Gottes gekommen ist und uns Verständnis gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen erkennen ..." (1Joh. 5:20)
Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, muss ich an dieser Stelle nochmals auf die besondere Art der Gotteserkenntnis Eckharts hinweisen, die er selbst „nichterkennendes Erkennen“ nennt:

Nun könntest du fragen: Was wirkt (denn) Gott ohne Bild in dem Grunde und in dem Sein? Das kann ich nicht wissen, weil die Kräfte nur in Bildern auffassen können, denn sie müssen alle Dinge jeweils in deren eigentümlichem Bilde auffassen und erkennen. Sie können ein Pferd nicht im (= mit dem) Bilde eines Menschen erkennen, und deshalb, weil alle Bilder von außen hereinkommen, darum bleibt jenes (= was Gott ohne Bild im Grunde wirkt) ihr verborgen; das aber ist für sie das allernützlichste. Dieses Nichtwissenreißt sie hin zu etwas Wundersamem und lässt sie diesem nachjagen, denn sie empfindet wohl, dass es ist, weiß aber nicht, wie und was es ist. Wenn (hingegen) der Mensch der Dinge Bewandtnis weiß, dann ist er alsbald der Dinge müde und sucht wieder etwas anderes zu erfahren und lebt dabei doch immerfort in bekümmertem Verlangen, diese Dinge zu erkennen und kennt doch kein Dabei-Verweilen. Daher: (Nur) das nichterkennende Erkennen hält die Seele bei diesem Verweilen und treibt sie doch zum Nachjagen an.

Eckhart unterscheidet bei diesem „nichterkennenden Erkennen“ sehr klar zwischen unserem Schauen und Gottes Schauen, wobei Gottes Schauen, bei ihm auch das „unverhüllte Schauen“ genannt, nichts anderes als das völlige Aussetzen der weltlichen Erkenntnistätigkeiten ist, d.h. es ist die vollzogene Einheit, in der nichts erkannt wird. Doch darin setzt die weltliche Erkenntnis immer wieder ein, es geht bei einem lebendigen Sein gar nicht anders. Aber über dieses (wiedereinsetzende) Erkennen bzw. das Erkannte führt Eckhart aus:

Ich sage: Wenn der Mensch, die Seele, der Geist Gott schaut, so weiß und erkennt er so sich auch als erkennend, das heißt: er erkennt, dass er Gott schaut und erkennt. Nun hat es etliche Leute bedünkt, und es scheint auch ganz glaubhaft, dass Blume und Kern der Seligkeit in jener Erkenntnis liegen, bei der der Geist erkennt, dass er Gott erkennt; denn, wenn ich alle Wonne hätte und wüsste nicht darum, was hülfe mir das und was für eine Wonne wäre mir das? Doch sage ich mit Bestimmtheit, dass dem nicht so ist. Ist es gleich wahr, dass die Seele ohne dies wohl nicht selig wäre, so ist doch die Seligkeit nicht darin gelegen; denn das erste, worin die Seligkeit besteht, ist dies, dass die Seele Gott unverhüllt schaut. Darin empfängt sie ihr ganzes Sein und ihr Leben und schöpft alles, was sie ist, aus dem Grunde Gottes und weiß nichts von Wissen noch von Liebe noch von irgend etwas überhaupt. Sie wird still ganz und ausschließlich im Sein Gottes. Sie weiß dort nichts als das Sein und Gott. Wenn sie aber weiß und erkennt, dass sie Gott schaut, erkennt und liebt, so ist das der natürlichen Ordnung nach ein Ausschlag aus dem und ein Rückschlag in das Erste.

Weiter heißt es bei Eckhart in der klaren Trennung dieser beiden völlig verschiedenen Geistzustände:

So also sage ich, dass es zwar Seligkeit nicht gibt, ohne dass der Mensch sich bewusst werde und wohl wisse, dass er Gott schaut und erkennt; doch verhüte Gott, dass meine Seligkeit darauf beruhe! Wem's anders genügt, der behalte es für sich, doch erbarmt's mich. Die Hitze des Feuers und das Sein des Feuers sind gar ungleich und erstaunlich fern voneinander in der Natur, obzwar sie nach Zeit und Raum gar nahe beieinander sind. Gottes Schauen und unser Schauen sind einander völlig fern und ungleich.

Der „Rückschlag“ in die weltlichen Erkenntnisstrukturen ist eine ursprüngliche Geburt dieser Strukturen, in der eine Selbsterkenntnis des Göttlichen stattfindet, die ohne die weltlichen Strukturen nicht stattfinden kann. Nur hier in den weltlichen Strukturen hat das Göttliche ein Sein und kann erkannt werden bzw. sich selbst erkennen. Es ist aber nur dann eine wesenhafte Selbsterkenntnis des Göttlichen und damit eine Geburt und Erkenntnis des Sohnes, wenn darin gleichzeitig erkannt wird, dass auch diese höchste Erkenntnis nur geschaffen und vergänglich ist, so dass sie stets nur funkenhaft ist (Eckhart vergleicht die Sohn-Erkenntnis oft auch mit einem „Fünklein“) und sofort wieder in einem heiligen Geist vergeht, das wiederum in einer durch dieses vollkommene Vergehen neuen, ursprünglichen Erkenntnis erkannt wird usw.

So bleibt das Göttliche trotz seiner Selbsterkenntnis in den dualen weltlichen Strukturen auch einheitlich in sich selbst und ist nur dadurch, also durch das sofortige Vergehen der höchsten Erkenntnis, eine gleichzeitig wesenhafte Selbsterkenntnis des Göttlichen. Nur hier in dieser Erkenntnis des Sohnes ist „sein Gebären (zugleich) sein Innebleiben, und sein Innebleiben ist sein Ausgebären. Es bleibt immer das Eine, das in sich selber quillt. Dieses Quillen ist die Liebe, die Eckhart im Sinn hat. Es ist nicht die zwischen Kreaturen und auch nicht die zwischen einem Göttlichen und den seienden Kreaturen in der Welt, sondern die des Göttlichen in sich selbst, und zwar als fortlaufender Wechsel im ursprünglichen und kürzesten Entstehen und Vergehen weltlicher Strukturen im Einen oder Absoluten, so dass hier Einheit und Dualität ineinanderfallen:

Die Liebe hat dies von Natur aus, dass sie von Zweien als Eines ausfließt und entspringt. Eins als Eins ergibt keine Liebe, Zwei als Zwei ergibt ebenfalls keine Liebe; Zwei als Eins dies ergibt notwendig naturgemäße, drangvolle, feurige Liebe.

In dieser wesenhaften, nichterkennenden Erkenntnis im Sohn-Sein besitzt der Sohn nicht ein statisches und festes Sein in Raum und Zeit, sonder ist ein „einiger Sohn“, der in diesem ursprünglichen Gebären und Vergehen auch das, aus dem er sich als geboren erkennt (den gegenüberstehenden Vater, das Nichts, die Einheit oder das Absolute), letztlich als von sich selbst (im Erkennen) hervorgebracht, geschaffen und geboren erkennt, so dass Eckhart sagen kann: „Aus dieser Lauterkeit hat er mich ewiglich geboren als seinen eingeborenen Sohn in das Ebenbild seiner ewigen Vaterschaft, auf dass ich Vater sei und den gebäre, von dem ich geboren bin“. Nur in diesem dynamischen Erkenntnisprozess, bei dem das Entstehen und Vergehen des Seins in der Welt geistig auf seine kürzeste Form minimiert wird, findet der Geist bei Eckhart Ruhe, wenn er sagt:

Lausche (denn) auf das Wunder! Wie wunderbar: draußen stehen wie drinnen, begreifen und umgriffen werden, schauen und (zu gleich) das Geschaute selbst sein, halten und gehalten werden - das ist das Ziel, wo der Geist in Ruhe verharrt, der lieben Ewigkeit vereint .

Gleichzeitig kann es darin als ein Erkennen des Erkennens verstanden werden, in dem erkannt wird, das Erkennen immer ein auch Hervorbringen und Schaffen von Sein ist. Der Erkennende erkennt so, dass er selbst das Erkannte hervorgebracht hat, sowohl den Vater oder die Einheit in der göttlichen Selbst-Erkenntnis als auch die gesamte scheinbar real seiende Welt. Das Erkennen des Erkennens führt zu einem Aussetzen des Erkennens, wodurch auch diese Erkenntnis in etwas Unerkennbaren vergeht bzw. in dem Erkennender, das Erkennen und das Erkannte ineinander fallen oder miteinander verschmelzen – und mit einer ursprünglichen Lebendigkeit daraus wieder entstehen. Die Ursprünglichkeit dieses Entstehens hebt dabei die Konstanz auf, mit der „wir“ uns in der Welt als scheinbar reales Sein in Zeit und Raum identifizieren.

Die negative Theologie kann nur von Menschen vertreten werden, die sich nicht verleugnet haben, die keinem Mensch glauben daß der eine Offenbarung Gottes erhalten hat, und meinen aus sich selbst die Wahrheit über Gott verstehen zu können.
Ich glaube sehrwohl daran, dass Menschen eine Offenbarung Gottes erhalten haben, aber sie haben sie letztlich selbst konstruiert, wenn sie sie als feste Erkenntnis in die Welt hinaus tragen und fortan in den weltlichen Strukturen als verbindlich, als reales Sein manifestieren wollen. Hier beharrt der Mensch auf seinen Individualismus, verfestigt ihn, anstatt wie Eckhart auch diese höchste Erkenntnis wieder vergehen zu lassen, weil er sie als konstruiert erkannt hat.

Geh mal in völliger Dunkelheit, ob deine eigene Erfahrung dich nicht eines Besseren belehrt.
Wenn ich in völliger Dunkelheit gehe, hört ja mein Erkentnisapparat nicht auf zu funktionieren, er ist ja nicht von meiner Sehfähigkeit abhängig und deshalb habe ich natürlich auch noch weiterhin Vorstellungen von den Dingen um mich herum.

Ein Gemeinschaftsmensch aber kann ihn beschreiben: "Gott ist /Gemeinschafts/Liebe." (1Joh. 4:16)
Ein „Gemeinschaftsmensch“ ist ein Mensch, der das Substantielle an sich, als das Substantielle an jedem und allem anderen erkennt und damit identisch weiß (wie Eckhart das tut).

Nur was das nicht Böses tun betrifft. Was aber das Gute tun betrifft, gibt es keine Motivation.
Natürlich gibt es diese Motivation. Sie nennt sich Liebe!

Eben nicht. Der Individualist sieht zwar ein, daß er dem Nächsten nichts Böses tun soll, weil er damit letztendlich sich selbst schadet, hat aber, wie ich schon sagte, keine Motivation dem Nächsten Gutes zu tun. Wozu auch? Ist ja sowieso alles nur Erscheinungen, und keine Wirklichkeit.
Man kann ja noch weiter gehen und sagen, daß auch das Leiden nur Erscheinung ist. Und man kommt soweit, wie ich mal von einem indischen Guru (hab seinen Namen vergessen) gelesen habe. Er lehrte: der Mörder soll ruhig morden, im vollen Bewußtsein, daß er in Wirklichkeit kein Leben auslöschen kann.
In den weltlichen Strukturen wird aber dieses Leben ausgelöscht und verursacht Leid. Wir sind verantwortlich für das was wir tun und das was wir nicht tun. Auch innerhalb der weltlichen Strukturen, selbst wenn diese nur in der Erkenntnis geschaffen sind, hören sie ja nicht auf real zu scheinen und auf uns real zu wirken. Die gute Nachricht für den Getöteten liegt nur darin, dass er substantiell gar nicht getötet wurde. Die schlechte Nachricht für den Mörder liegt hingegen darin, dass er in den weltlichen Strukturen mit vollem Recht verurteilt und bestraft wird. Wir sind verantwortlich für das was wir in den weltlichen Strukturen so treiben. Das ist nicht egal, gerade weil wir diese Welt konstruieren und mit der Substanz dieser Welt eins sind. Es liegt in unseren Händen diese Welt zu einem, für alle, lebenswerten Ort zu machen, in der Einsicht der substantiellen Verbundenheit mit Gott, der uns Liebe geboten hat. Da kann ich mich nicht verhalten wie ich gerade lustig bin, sondern bin dieser substantiellen Einheit verbunden, der ich schon in den weltlichen Strukturen so nah wie möglich sein möchte, weil nur diese Nähe Frieden, Liebe und Gelassenheit schenkt!

LG
Provisorium