
Zitat von
Alef
Was willst du darüber diskutieren?
Mich interessiert daran, ob das Christentum innerlich durch seine Genese vielleicht schon derart gespalten ist, dass es gar nicht so richtig weiß, wohin es sich letztlich orientieren soll. Die Spaltung die ich meine kommt wohl am deutlichsten bei Paulus, im Römerbrief Kapitel 7 und Kapitel 8 zum Ausdruck.
Du hast darauf ja auch schon geantwortet und siehst in der weiteren Entwicklung eher die charismatische Richtung im Wachstum und sicher stimmt das auch und diese "hochemotionale Herangehensweise" mag ja tatsächlich auch recht erfolgreich sein, um Menschen mit dem Glauben bekannt zu machen, aber im weiteren Verlauf, das ist eben meine Beobachtung, stößt man sich früher oder später an der Frage bzgl. der Verbindlichkeit des Gesetzes und ob es nicht vielleicht doch notwendig sein könnte, diese Gesetze zu befolgen, um ein gottgefälliges Leben zu führen. Meist kommt dann so eine Art "Gesetze-Light-Version" dabei heraus, z.B. ohne die Speisevorschriften, aber dieses "Gespaltensein" drückt sich darin schon sehr schön aus.
Paulus hatte ja geschrieben: "das Gesetz des Geistes, das in Christus Jesus lebendig macht, hat euch befreit vom Gesetz der Sünde und des Todes". Soweit so gut, aber natürlich sündigen Christen weiterhin und sterben müssen sie auch alle, was ist das also für eine Freiheit? Dann die Geschichte mit dem Fleisch, dass mit dem (wiedergeborenen) Geist im Streit liegt und das man abtöten muss. Das hat für nicht wenige Christen zur Konsequenz sich eben doch wieder stärker an den Gesetzen zu orientieren (wie gesagt, eher in einer "Light-Version").
Gerade in "charismatischen Kreisen" gewinnt man dann mitunter den Eindruck, dass es da im Gläubigen ein beständiges Hin und Her zwischen alten Menschen im Fleisch und neuen Menschen im Geist gibt und darin drückt sich dann unter anderem dieses "Gespaltensein" aus, was dann sein Heil in den Gesetzen sucht, weil ja schließlich Jesus diese Gesetze nicht für ungültig erklärte.
Natürlich tangiert das eher die Christen, die fleißig in der Bibel lesen und unbeschwert von kirchlichen Dogmen, sich selbst einen Reim auf ihren Glauben machen wollen. Das meine ich übrigens völlig wertfrei, ohne dieses Verhalten nun als besser oder schlechter betrachtet zu wissen. Aber muss nicht gerade da, wo man bibeltreu (also AT und NT gemäß) seinen Glauben gestalten möchte, fast automatisch diese Spaltung entstehen, weil sich beides abgeschlossen in sich eben gar nicht wirklich vereinbaren lässt?
Und hat eine Religion, die mit solch einer Widersprüchlichkeit geschlagen ist, denn überhaupt eine Zukunft? Ich meine das lässt sich ja z.B. auch in der katholischen Kirche beobachten, in der Anspruch und Wirklichkeit auch ganz gerne mal weit auseinander driften und die deshalb zurecht von vielen Menschen als bigott wahrgenommen wird.
Das sind halt so die Fragen, die mich beschäftigen, wenn ich über die Entwicklung des Christentums nachdenke.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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