Hallo NetKrel,
ich denke auch, dass du da meine Intention missverstanden hast. Thalestris hatte gefragt, ob die Psychologie sich mit Spiritualität beschäftigt. Ich habe darauf eingehend diese Frage zu beantworten versucht, und die prognostizierte Auswirkung einer spirituellen Lebens- bzw. Verhaltensweise auf die beobachtbare Welt gehören insofern dazu – dies an den beiden Beispielen veranschaulicht. Ich hätte auch andere Beispiele für entsprechende Untersuchungen anführen können, z.B. ob es stimmt, dass gläubige Menschen in besonderer Weise hilfsbereiter sind als Atheisten, oder ob Homöopathie tatsächlich eine objektgebundene Wirkung besitzt (also durch das Mittel ausgelöst, egal ob nun energetisch oder chemisch) oder doch nur eine subjektgebundene (im Sinne z.B. von Placeboeffekten). Ich habe mich also gar nicht auf dich beziehen wollen, sondern nur versucht ihre Frage zu beantworten, indem ich darauf hingewiesen habe, in welchem Rahmen dies durchaus auch für die Psychologie ein Thema ist und in welchem Rahmen eben nicht – und inwiefern also deine Kritik an der Psychologie berechtigt ist.

Zitat von
NetKrel
Deine (vom Muster her immer wieder gleiche) gegen-Argumentation bzgl. der spirituell/energetischen Ebene mal selbst benützt könnte man zB die gesamte konventionelle Psychologie widerlegen ohne eine Alternativerklärung auch noch vorzustellen. (also einfach nur "Nein" gesagt quasi) zB könnte man sagen: Ein Trauma in der Kindheit ist nicht die Ursache für Spätfolgen. Weil es auch Personen gibt die kein Kindheitstrauma hatten aber unter einer gleichen Störung leiden.
Das ist eine sehr schöner Einwand. Darf ich ihn nutzen um auf einen Fehler in deiner Argumentation hinzuweisen – und zugleich auf ihre Richtigkeit in anderer Hinsicht. Du hast recht, eine psychische Belastung kann eine andere Ursache haben, als ein Trauma in der Kindheit. Insofern kann ich aus dem Vorhandensein einer „Spätfolge“ nicht zwingend auf ein Trauma rückschließen. Aber es lässt sich durchaus belegen, dass wenn es ein Trauma in der Kindheit gab, signifikant häufig eine psychische Belastung die Folge ist – auch wenn es nicht immer der Fall sein muss. Und statistische Verteilungen lassen bestimmte Ursachen zumindest wahrscheinlich werden.
Anders gesagt, kann ich nicht sagen, nur weil die Straße nass ist hat es geregnet. Weil es eben andere Ursachen geben mag. Aber ich kann feststellen, dass Regen in auffällig vielen Fällen zu einer nassen Straße führt, oder? Und selbst wenn es Ausnahmen geben mag, weil manche Straßen auch überdacht sind, macht es doch durchaus Sinn im Falle von nassen Straßen nach Anzeichen von Regen zu suchen. Entsprechend mag es Sinn machen im Falle bestimmter psychischer Belastungen nach Ursachen in der Kindheit zu suchen – unabhängig davon ob ich fündig werde.
Um nun noch einen Schritt weiter zu gehen, will ich gerne versuchen darzulegen, warum nun die Psychologie bzw. die Wissenschaft manche spirituellen Erklärungen kritisch gegenübersteht – denn das tut sie eben aus denselben Maßstäben. Noch einmal zu deiner Aussagen, dass eine psychische Belastung eine andere Ursache haben kann, als ein Trauma in der Kindheit und man insofern dem Vorhandensein einer „Spätfolge“ nicht zwingend auf ein Trauma rückschließen kann. Aber genau das wird doch in der Esoterik mit besonderer Vorliebe gemacht. Hier wird oft aus der Wirkung bzw. dem Ergebnis auf eine vermeintliche Ursache geschlossen. Sei es bei der Homöopathie, sei es bei der Akupunktur, der Reinkarnationstheorie, Glücksbringern, vermeintlich beobachtbarer Hilfsbereitschaft nächstenliebender Christen oder anderes. Aber das alles kann eben keine Beweiskraft haben, denn wie du selbst sagst, kann es auch andere Ursachen haben.
Und genau hier kann nun aber die Wissenschaft ansetzen und untersuchen. Denn wenn es einen Kausalzusammenhang gibt, dann kann man diesen in die andere Richtung belegen. Wenn ein homöopathisches Mittel etwas an sich hat, das wirkt, dann muss Homöopathie signifikant häufig helfen, auch wenn die Person nicht weiß, ob sie ein entsprechendes Präparat bekommt oder nicht. Wenn die Energiekanäle entscheidend für die Wirkung der Akupunktur sind, dann muss sie signifikant besser helfen, wenn sie an den richtigen Punkten angewandt wird, als wenn an den falschen. Dann müssen Glücksbringer signifikant häufiger Glück bringen und sich Christen in einer bestimmten Situation hilfsbereiter verhalten als Atheisten. In dieser Richtung kann man Aussagen überprüfen. Und das tut die Forschung – und in vielen Fällen esoterischer Erklärungen kann sie auf diesem Weg belegen, dass es eben keine signifikanten Effekte zu beobachten gibt. D.h. Homöopathie wirkt eben nicht, wenn die Person glaubt nur ein Placebo bekommen zu haben, „wirkt“ hingegen selbst dann, wenn es gar kein homöopathisches Mittel war. Und Akupunktur wirkt „richtig“ angewendet nicht signifikant besser als an den falschen Stellen angewendet. Glücksbringer bringen kein Glück und Christen sind nicht hilfsbereiter als Atheisten, selbst wenn sie zuvor mit der Nase z.B. auf die Geschichte des barmherzigen Samariters hingestoßen wurden.
Und so funktioniert eben Wissenschaft – vereinfacht dargestellt. Man beobachtet einen Dann-Faktor und sucht nach einem Wenn-Faktor. Und wenn man einen solchen glaubt gefunden zu haben, dann überprüft man diesen Zusammenhang indem man versucht einen signifikanten Zusammenhang zwischen Wenn-Faktor und Dann-Faktor zu bestimmen. Und dann lässt sich bestimmen wie sinnvoll es ist im Falle des Vorhandenseins eines Dann-Faktors nach einem Wenn-Faktor zu suchen bzw. von einem solchen auszugehen. Findet sich eine solche Signifikanz nicht, dann hat man sich aber geirrt und sollte sich irgendwann von der postulieren Annahme lösen. Und das funktioniert nur in diese Richtung, aber eben nicht wenn man einen Wenn-Dann-Zusammenhang nur ausschließlich rückblickend bestimmen kann.
Du siehst, das ist keine Frage einer materialistischen Weltsicht, das ist eine konsequente Anwendung derselben Regeln. Und es geht auch nicht darum keine Fehler zu machen. Auch eine medizinische Behandlung garantiert keinen 100% Erfolg, da hast du recht. Aber ihre Trefferquote ist um ein Tausendfaches besser als jede Trefferquote mir bekannter geistiger Medien o.ä.. Wenn man nun über diese Regeln der Wissenschaft hinausgehend auch nach einer spirituellen Wirklichkeit fragen möchte, dann darf man es tun – und ich finde man sollte es tun. Auch wenn es dir manchmal nicht so scheinen mag – auch ich glaube ja an eine solche Welt. Ich darf auch über metaphysische Zusammenhänge spekulieren - nur sollte ich mich nicht in sie verbeißen, wenn sich ein Widerspruch auftut. Aber ich kann nicht fordern, dass die Wissenschaft eine Argumentation miteinbeziehen, die nach ihren Regeln keinen Bestand haben kann. Und hier zeigt sich dann mein Agnostizismus – ich bin eben eher bereit zu glauben, dass ich mich in meinem Blick auf die Wirklichkeit der geistigen Welt und Gott irren könnte, als dass ich glaube die Gesetzmäßigkeiten der Natur, der Logik und damit letztlich Gott als ihrem Urgrund müssten sich ändern um meiner Vorstellung zu entsprechen.^^
NetKrel – die Wissenschaft vermag sicherlich nicht die entscheidenden Fragen zu beantworten. Aber sie ist auch nicht unser Feind, im Gegenteil ist sie ein Freund, der uns vor Irrtümern bewahrt. Sie gleicht gewissermaßen Moses – obschon sie nie in das gelobte Land vorstoßen mag, kann sie uns doch davor bewahren in die Irre zu gehen.^^ Betrachtes es vielleicht ein wenig in Anlehung an deine Diskussion mit Provisorium.... man kann die spirituelle Wirklichkeit (Gott) eben nicht bestimmen, auch nicht mit der Wissenschaft. Man kann diese nur benutzen um zu zeigen, welche Annahmen eben unzutreffend sind.
Herzlichen Gruß dir
Lior
Geändert von Lior (17.07.2016 um 03:40 Uhr)
Es sei bitte berücksichtigt, dass meine Besuche zeitweise durch lange Pausen unterbrochen werden. Sollte ich also eine an mich gerichtete Frage überlesen, bzw. nicht unmittelbar beantworten, dann ist dies bitte nicht als Ausdruck des Desinteresses zu werten - ggf. hilft auch mal eine Erinnerung.
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