Jesus, das Gesetz und der Glaube
Hallo ihr Lieben,
eigentlich ging es doch in den letzten Threads hier bei uns Gnadenkindern immer wieder um die Frage, wie das Gesetz der Juden zu verstehen sei, inwiefern es für uns Christen noch verbindlich ist und ob es tatsächlich allein der Glaube ist, der den Menschen vor Gott rechtfertigt.
Ich will mich diesen Fragen nun einmal auf möglichst einfache Art und Weise nähern und deshalb zunächst einmal Jesus zu Wort kommen lassen, der folgendes zum Thema Gesetz sagte:
Er aber sprach zu ihm: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand. "Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Jesus ging es also ganz offensichtlich tatsächlich nicht zuvorderst um ein äußeres Verhalten, also nicht etwa darum alle 613 Ge- und Verbote des Talmud in Perfektion zu befolgen, sondern um eine innere Herzenshaltung, also um die Gesinnung des Menschen. Und diese Gesinnung fasst er, wie oben zitiert, in dem Liebesgebot zusammen.
Die aufrichtige und aus dem Herzen, der Seele und dem Verstand des Menschen kommende Liebe zu Gott und die aufrichtige Liebe zu den Menschen, ist für Jesus also die Voraussetzung, um dem Gesetz gerecht werden zu können. Vielleicht kann man sogar sagen, dass das Liebesgebot für Jesus das Gesetz war?
Da ist also gar nicht so sehr davon die Rede, dass man dies und das zu tun und zu lassen habe, sondern es geht um ganzheitliche Liebe zu Gott und den Menschen.
Sicher wird kein Christ diesem Liebesgebot widersprechen und es vollumfänglich auch für seinen Glauben als absolute Notwendigkeit erachten, oder? Und insofern würde sich doch sicher auch kein Christ von diesem Gesetz als befreit empfinden, noch empfinden wollen, oder?
Wie mir scheint, haben viele Christen aber trotzdem immer wieder ein Problem mit dem Gesetz, weil sie es wohl weniger aus dem oben beschriebenen Blickwinkel heraus betrachten, sondern unter dem "Stichwort Gesetz", eine ganze Latte von Ge- und Verboten vor sich sehen, die einzuhalten, den Menschen aufgetragen wurde, damit sie vor Gott gerecht werden können.
Und offensichtlich hat das wohl auch Paulus so gesehen, wenn er von Gesetz spricht und in Folge dessen seine "Rechtfertigungslehre aus Glaube" entwickelt. Er hat im Gesetz also weniger das Liebesgebot gesehen, so wie Jesus das Gesetz zusammengefasst hatte, sondern die vielen, vielen, sehr schwer zu haltenden Regeln.
Ich meine nun, dass es aufgrund dieser unterschiedlichen Vorstellungen von Gesetz, immer wieder, zu mehr oder minder starken, Verwirrungen kommt und die Einen wähnen, allein der Glaube an Jesus würde schon ausreichen, um vor Gott gerecht zu werden, während die Anderen betonen, dass der Glaube allein nicht ausreicht, sondern zum Glauben auch noch entsprechende Werke dazu kommen müssen.
Ich frage mich nun, ob Jesus und Paulus das tatsächlich so fundamental unterschiedlich gesehen haben? Und meine Antwort, die nun höchstwahrscheinlich den ein oder anderen sehr überraschen wird, lautet, dass letzten Endes auch Paulus nicht der Überzeugung war, dass man allein aus Glaube gerechtfertigt werden könnte.
Dazu nur ein Vers aus dem ersten Brief des Paulus an die Korinther (1.Korinther 13,2):
Und wenn ich Weissagung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß, und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts.
Ist es nicht eigentlich so, dass auch Paulus die Liebe als fundamentale Voraussetzung betrachtet, um vor Gott gerecht werden zu können? Er schreibt ja, dass selbst, wenn er allen Glaube hätte, und zwar so starken Glauben, dass er Berge versetzen könnte, trotz dieses großen Glaubens nichts wäre, wenn er denn keine Liebe hätte!
Wenn wir also das Gesetz so zusammenfassen würden, wie Jesus es getan hat und also die Liebe zu Gott und den Menschen zu unserem Glaubensmittelpunkt machen würden, dann müsste es uns doch vielleicht gelingen, die gelegentlich aufkommende Verwirrung, aufgrund der so genannten "paulinischen Rechtfertigungslehre" zu entwirrren und Glaube und Liebe würden Hand in Hand unser Leben bestimmen und all unsere Glaubenshoffnungen begründen.
Wie Paulus sagt:
Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die Größte aber von diesen ist die Liebe.
Wie seht ihr das? Kann man das so provisorisch sagen, oder liege ich eurer Meinung nach daneben?
LG
Provisorium
Geändert von Provisorium (27.08.2014 um 00:21 Uhr)
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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