@Zeuge
In der negativen Theologie werden Gottesoffenbarungen nicht ausgeschlossen. Bei Eckhart dreht sich die komplette Lehre um die so genannte Gottesgeburt im Seelengrund, die wesentlich Gottesoffenbarung ist.

Nur verfestigt sich diese Offenbarung nicht in den weltlichen Strukturen. Man kann keine gültige Aussage über dieses „Urknallgeschehen“ im Innersten der Seele treffen. Man kann trotz dieser Offenbarung nicht sagen: Gott ist hier, oder er ist da, oder ist so oder er ist so...

Für gewöhnlich wird aber ein solches Ereignis in den bereits vorhandenen kulturellen, oder religiösen Kontext gedeutet/übertragen und in den weltlichen Strukturen als festes Wissen, tiefe Gläubigkeit, oder restlose Überzeugung angesehen, dass mir Gott eben als Gläubiger des Christentums, des Judentums, des Islam etc. begegnet ist und quasi als Beweis für die Richtigkeit des Glaubens gewertet (und die Unrichtigkeit des Glaubens anderer).

Das dadurch entstandene positive Gottesbild wird also starr, verfestigt sich, anstatt es wie in der negativen Theologie als geschaffen, sich quasi in einem lebendigen Prozess aus Werden, Sein, Vergehen zu deuten und auch diese höchste Erkenntnis, als so genanntes „nichterkennendes Erkennen“ wieder sein zu lassen.

In der negativen Theologie gibt es also durchaus "Gottesoffenbarungen" und die haben dann auch existentiellste Auswirkungen auf den Gläubigen, sind aber eben kein festes Wissen über Gott.
Gott so wie er Gott ist, bleibt auch dort letztlich unerkannt, selbst wenn man staunend und anbetend der Gottesgeburt im Seelengrund gewahr werden durfte.


LG
Provisorium