@Zeuge
Zunächst möchte ich einmal klarstellen, dass für mich die Offenbarung Gottes auch nicht irgendwelcher Hochgefühle, mystisches Erleben, oder über die Alltagserfahrung hinaus, herausgehobener Erlebnisse bedarf. Sie kann sich wie bereits erwähnt auch ganz zart in dem Menschen regen, der mit offenen Augen und geöffnetem Herzen die Natur durchschreitet und gemäß Römer 1,19+20 über das Wahrgenommene nachdenkt...

Bezüglich der Botschaften die Menschen von Gott empfangen haben und von denen uns in der Bibel berichtet wird, stehen wir immer vor dem Problem der rechten Deutung (darum ja auch dieser Thread). Und gerade die Geschichte Abrahams ist diesbezüglich von herausragender Bedeutung, steht sie doch einerseits sowohl für das die abrahamitischen Religionen (Judentum, Islam, Christentum) Verbindende, als auch, in der individuellen Auslegung, im unterschiedlichen interpretieren, Trennende dieser Religionen.

Zunächst stellt sich mir hier natürlich die Frage, ob denn tatsächlich von einem historischen Ereignis berichtet wird, also ob sich Gott dem Abraham tatsächlich vermittels gesprochenem Wort, das Abraham akkustisch wahrnehmen konnte, offenbarte? Oder ob nicht vielmehr der feste Glaube Abrahams in seiner Reflexion über sein Leben und dem Erlebten, seiner Gottverbundenheit und Demut, nachträglich von seinen Interpreten und Schreibern dadurch Autorität verliehen werden sollte, dass man diese direkteste Form der Kommunikation, als einzig angemessenen Ausdruck des Glaubens Abrahams als würdig erachtete und entsprechend schriftlich fixierte?

Der direkte Draht zu Gott ist natürlich ein sehr starkes Bild und quasi ein Totschlagargument gegen jeden Zweifler und legitimiert zudem jegliche Forderung und Unterordnung unter dem in dieser Weise mit Gott Verbundenen. Seltsam nur, dass sich an derart mit Gott Verbundenen immer wieder das Trennende, Entzweiende, das Kriegerische und Zerstörerische auftut und in der individuellen Interpretation der Gläubigen, genau an dieser Nahtstelle, die Gräben auftun, die bis heute nicht zu überwinden sind.

Für einen direkt, in akkustischer Form, zu den Menschen sprechender Gott, müsste es doch ein leichtes sein die Menschen unter dem rechten Glauben zu vereinigen und zudem dürfte es keinerlei Zweifel mehr an der Existenz eines solchen Gottes geben. Warum versteckt sich Gott immer wieder hinter Menschen, die behaupten seine Stimme gehört zu haben und fordert so zunächst den Glauben an diesen Menschen ein, bevor er sich dann, den Vorstellungen dieses Menschen gemäß (des Menschen, der seine Stimme gehört hat) auch anderen, die seine Stimme nicht hören können, in einer Glaubensgemeinschaft offenbart? Dabei darf man nicht vergessen, dass am rechten Glauben alles gelegen ist, entscheidet er doch über unsere Ewigkeit in Freuden, oder in Qualen.

Jegliche Form positiver Theologie, die die Offenbarung Gottes in solch einer Form absolut setzt, trägt in ihrem Innersten den Keim der Zerstörung, der all jene infiziert, die an solch einen Gott nicht glauben mögen und dementsprechend die Strafen eines solchen, positiv offenbarten Gottes, fürchten müssen.

Ich frage mich in dem Zusammenhang, wie Christen, die der Nächsten-und Fernsten(Feindes-)liebe verpflichtet sind, auch nur eine Nacht ruhig schlafen können? Der mit Abstand größte Teil der Bekanntschaften, Freunde und Verwandte dieser Gläubigen wird verloren gehen, grausam in alle Ewigkeit gequält und gemartert, in alle Ewigkeit von Gott getrennt, werden sie in der Hölle schmoren, weil sie nicht an die Offenbarungen Gottes, die dieser vermittels anderer Menschen in die Welt gesetzt hat, glauben mögen!

Bestände denn wenigstens Einigkeit der positiv an Gott Glaubenden und nicht dieser elendige Wust aus Konfession und Denomination, könnte man ja tatsächlich an einen sprechenden Gott glauben, aber so wie es heutzutage steht, vermute ich, dass Gott akkustisch eher stumm bleibt und dafür um so lebendiger zum Herzen des Gläubigen zu sprechen.

LG
Provisorium