Hallo Ed
Ich finde es interessant von deinen Kindern zu hören. All das, was du geschrieben hast über Charakterentwicklung, über Selbstbehauptung auch gegen die Masse und über die Bedeutung des Vorbild-Sein, dem stimme ich absolut zu. Aber so sehr ich das auch tue – es sagt ja nichts darüber aus, ob dazu eine Erziehung mit oder ohne Körperstrafen nötig ist. Im Gegenteil – gerade die Bedeutung des Vorbildgebens bringt ein Element mit hinein, das Thalestris schon angesprochen hat. Wenn ich meinem Kind vorlebe, dass Schläge ein adäquates Mittel sind, um meinen (Erziehung)willen durchzusetzen, wie kann es mich dann wundern, wenn es (wie so oft in diesen Fällen zu beobachten) selbst zur Gewalt greift, um gegenüber anderen Kindern seinen Willen durchzusetzen. Das geschieht sicherlich nicht zwangsläufig, aber ist doch in meinen Augen eher ein Argument gegen Körperstrafen.
Dennoch... es ist ganz klar, dass auch die zurückliegenden Generationen es geschafft haben erwachsen und sozial kompetente Menschen zu werden. Trotzdem hindert das ja nicht die fortschreitende Einsichten umzusetzen. Es gab auch früher Recht und Gesetz – es unterschied sich aber wesentlich von dem heutigen. Und ich bin froh, dass es hier Entwicklungen gab.

In diesem Zusammenhang vielleicht noch einmal eine Klarstellung, damit keine Missverständnisse entstehen. Ich habe bewusst betont, dass ich in nur sehr begrenzten Ausnahmesituationen auch ein Zurück“klapsen“ als legitim ansehe. Gerade dann, wenn z.B. mein Kind durch eine Handlung einem anderen Gewalt zufügt. Dieses Vorgehen dient aber bei mir nicht der Bestrafung, sondern der Verdeutlichung dessen was das eigene Verhalten des Kindes für den anderen bedeutet. Und ich spreche dabei auch bewusst nicht von Schlägen, weil dieses Klapsen keinen Schmerz verursachen sollte, sondern lediglich die Unangemessenheit der Situation simulieren soll. Kinder sind ja nicht blöd, sondern im Gegenteil sehr sensibel und erkennen an der Gesamtheit der geschauspielerten Situation (überzeichnet wütendes Gesicht, eine körperliche Ablehnungshaltung, die übertrieben unwirsche Bewegung gefolgt von einem unsanften aber nicht schmerzhaften Zurückstoßen) die feindselige und belastende Grundstimmung. Oft ist es sogar so (zumindest bei uns), dass durch Überzeichnung der Stimmung die Situation ins groteske übertrieben und dem Kleinen damit ein Spiegel vorhält, der ihn letztlich zum Lachen und der beschämten Einsicht in das eigene Verhalten bringen kann. Beides führt in einer unmittelbar folgenden, ruhigen Frage nach der Einschätzung des eigenen Verhaltens zu der Einsicht, dass es falsch war so zu handeln.
Bei Körperstrafen spreche ich aber von einer ganz anderen Qualität, nämlich von echten, mit Schmerzen verbundene oft noch dazu entwürdigenden Schlägen, deren primärer Zweck es ist durch Schmerz den Willen eines Kindes zur Unterlassung einer Handlung zu konditionieren. Ähnlich etwa wie bei dem Pawlowschen Hund, der durch Elektroschocks entsprechend „erzogen“ wurde.

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Was ziehst du vor, als Kind von deinen Eltern ne tracht Prügel zu beziehen, oder als Erwachsener für zehn Jare ins Gefängnis, oder vielleicht auf dem Gericht Gottes in die äußere Finsternis hinausgeworfen zu sein?
Lieber Ed, siehst du hier wirklich nur diese Extremen gegeben? Ich denke da kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner. In dieser Formulierung konstruierst du eine Entweder-Oder-Situation, die so aus meiner Sicht nicht existiert. Denn ich muss nicht entweder als Kind eine Tracht Prügel oder als Erwachsener eine Gefängnisstrafe bekommen. Es geht auch ohne das beides der Fall ist, so wie auch beides zugleich der Fall sein kann. Und was Gottes Urteil über mich betrifft, das überlasse ich in vertrauensvoller Gelassenheit Gott selbst. Aber ich gebe offen zu, wenn Gott von mir erwarten würde, dass ich im Falle meiner erzieherischen Überforderung eher im bequemen Weg mein Kind prügle, als mich selbst in alternativen, gewaltfreien Erziehungsmethoden bzw. -möglichkeiten weiter fortzubilden, dann nein danke. Mit so einem Gott wünsche ich mir für die Ewigkeit keine Gemeinschaft. Das wäre mir finster genug.
Ich jedenfalls habe Gott als einen liebenden, seiner Schöpfung zugeneigten Gott kennen gelernt. Einen Gott, der sich den Verzicht jedweder unnötiger Gewalt wünscht. Und demzufolge kann es nicht mein Recht sein, im Fällen in denen ich mir nicht anders zu helfen weiß zu schlagen, sondern es muss vielmehr meine Pflicht sein mich um alternative Möglichkeiten z.B. durch Fortbildung zu bemühen. Denn Kinder sind weder eine Pflicht, noch sind sie mein Recht – sie sind ein Privileg.

Auch folgende Behauptung ist für mich daher nur schwer nachvollziehbar.
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Wir lehnen also Gott nicht grundsätzlich ab, wünschen aber daß er schweigt. Ein sehr bequemer Gott.
Wieso sollte ich wollen, dass ER schweigt? Wie kommst du darauf. Ich wünsche mir im Gegenteil dass er jeden erreicht. Jene eingeschlossen, die Ihn meiner Auffassung nach ausschließlich IN einem Buch wähnen, als HINTER demselben. Und offensichtlich hast du selbst ja bereits festgestellt, dass es sehr viel unbequemer ist umzudenken und sich den Herausforderungen neuer Erkenntnisse zu stellen, anstatt – weil man der Meinung ist es nicht anders zu können – sich auf „bewährtes“ zu verlassen. Das waren doch deine Worte: „Kannst du dein Kind ohne Schläge zu einem guten Menschen erziehen - bitte schön! Wer das aber nicht kann, den sollte man nicht verunsichern.“

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Aus deinen Worten aber sieht man, daß du eine bestimmte Vorstellung hast, wie ein Heiliger sein soll. Und wer nicht so ist, wie du es dir vorstellst, der kann kein Heiliger sein.
Worin siehst du meine Vorstellung wie ein Heiliger zu sein habe. Ich meine was für eine Vorstellung habe ich? Weißt du Ed, ich lese von dir sehr häufig Unterstellungen, bei denen ich mich immer wieder frage, wie du zu diesen (Vor-)urteilen kommst. Und manchmal bringen sie mich sogar zum Schmunzeln … z.B. wenn gerade du vorwirfst, dass ich einem anderen etwas abspreche, nur weil es nicht meiner Vorstellung entspricht. Das ist eine erfrischende Ironie.

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Du verdrehst die Tatsachen. Wer spricht von weiter eintreten? Einmal reinhauen, so daß er nicht imstade ist sein Werk fortzusetzen. Bei Erwachsenen.
Bei Kindern muß das abgemessen sein. Was nur Eltern können, die das Kind lieben.
Ich denke du solltest dich hier noch einmal mit den Gesetzen und Vergleichsebenen befassen. Zumindest sehe ich hier meiner laienhaften Rechtsauffassung zufolge in deiner Darstellung gewisse Defizite – von einer sehr unglücklichen Wortwahl im Zusammenhang von „einmal reinhauen“ und „bei Kindern muss das abgemessen sein“ mal ganz abgesehen.

In der einen Situation haben wir eine Person, die gerade jemanden zu töten versucht. (Das Beispiel kommt ja nicht von mir, sondern wurde von dir eingebracht) Hier bin ich verpflichtet, diesen von seinem Tun abzuhalten – und zwar auch hier mit verhältnismäßigen Mitteln. Im Falle eines Totschlägers mag das auch ggf. körperliche Gewalt sein. Aber jemanden weil er ein Auto zerkratzt mit dem Auto zu überfahren, lässt dir keiner durchgehen.
ABER!!! im Fall der Nothilfe ist die Gewalt sofort einzustellen, wenn der Täter (hier der Totschläger) von seinem Handeln ablässt bzw. davon abgehalten werden konnte. Wenn nun ein Kind etwas ungehöriges tut, und in Folge seines Handelns mit Prügel bestraft wird, steht das in keinem Zusammenhang mit der Art wie du das Beispiel des Totschlägers verwendet hast. Wenn wir hier einen Vergleich ziehen würden, dann müssten wir es korrekt auf folgende Formel bringen.

Ein Kind begeht eine zu missbilligende Handlung. Idealerweise greift der Erziehungsberechtigte mit verhältnismäßigen Mitteln ein. Die Handlung wird nicht länger durchgeführt. Das Kind wird in Folge der Handlung mit Prügel bestraft.

Auf den Totschläger übertragen würde das bedeuten:
Person X versucht jemanden zu töten. Eine Person Y geht dazwischen und schlägt Person X nieder, um die Tat zu verhindern. Person X ist damit nicht mehr zur Handlung fähig und lässt daher zwangsläufig davon ab. Person X wird nach dem vereitelten Versuch mit Prügel bestraft.

In beiden Fällen ist die Körperstrafe eine Konsequenz NACH der eigentlichen Handlung, die nicht der UNMITTELBAREN Abwehr der Handlung dient.

Aus dieser Betrachtung folgt dann – um auf deine Frage einzugehen – dass du mit dem selben Grundsatz auch ein um sich schlagendes Kind zurückziehen oder schubsen darfst. Selbst wenn es sich dabei unbeabsichtigterweise verletzt. Ich denke die meisten würden hier von einer gebotenen Verhältnismäßigkeit sprechen. „Einmal reinhauen“ wie du es zumindest im Zusammenhang mit dem Erwachsenen genannt hast, wäre wieder was anderes - siehe oben das Beispiel der Sachbeschädigung. Und ganz was anderes ist es eben, wenn dieses Kind noch vor Ort oder zuhause dann für sein Handeln mit Prügel bestraft wird. Und zwar als präventive !Strafe!. Denn Strafe d.i. „ein Übel, das (…) dem „Täter“, für sein eigenes, VERGANGENES, tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Handeln […] auferlegt wird(zitiert nach Wikipedia). Und das entspricht eben nicht dem einen Schlag zur Abwehr des Totschlägers, sondern wie ich schon schrieb ihn am Boden zusammenzutreten, damit er so was auch garantiert nie wieder tut. Nichts anderes ist nüchtern betrachtet die Prügel bei Kindern auch.
Zitat Zitat von ed Beitrag anzeigen
Klug reden können nur die, die selbst keine Kinder haben. Alles Theorien ohne Bezug zum praktischen Leben.
Gib ihnen vier, sechs, acht oder zehn Kinder, und schick sie in der Landwirtschat arbeiten. Sie werden sehr schnell ihre Kabinettweisheit vergessen, und ihr richtiges Gesicht zeigen.
Du hast hier aber nicht wie mir oben von dir unterstellt „bestimmte, voreingenommene Vorstellungen“? Kurz gesagt, Ed, auf dieser Ebene kann und werde ich mit dir nicht streiten. Denn es wäre genau das – keine Diskussion, sondern ein Streit. In einer Diskussion geht es um den Austausch von Argumenten, nicht von Stammtischparolen.
Und in der gleichen Richtung muss ich leider auch die pauschalisierte Ablehnung jedweder wissenschaftlicher Forschung verweisen. Ich sage es noch einmal: Sachliche Kritik ist jederzeit möglich. Natürlich sind viele Forscher nicht frei von einer gewissen Vorerwartung oder Ideologisierung. Früher wurde Wissenschaft z.B. unter der Annahme begangen, die Schrift wäre in ihren Aussagen wörtlich als Wahrheit anzusehen – mit teils obskuren, heute kaum noch vorstellbaren Ergebnissen. Und manchmal werden bedauerlicherweise auch Ergebnisse regelrecht „gekauft“. Aber wenn der Hersteller einer Abnehmpille in einer Studie unglaubliche 99%-Wirksamkeit belegen kann, dann wird es nur wenige wirklich überzeugen. Und zurecht. Denn meist lassen sich bereits auf den ersten Blick erkennen, mit welchen Auswahlkriterien man dieses Ergebnis produzieren konnte und weshalb die Studie keinen seriösen wissenschaftlichen Standards entsprechen kann. Aber in diesen Fällen steht es eben jedem frei sachliche Kritik anzubringen – was innerhalb der Wissenschaftsgemeinde auch weidlich genutzt wird. Die Möglichkeit Fehler aufzuzeigen oder aber durch Reproduktion einer Studie die Ergebnisse zu bestätigen, anstatt in blinden Dogmatismus zu verfallen, dass sind meiner Meinung nach die Vorteile der Wissenschaft. Aber sich noch nicht mal die Mühe einer sachlichen Kritik zu machen, sondern sie mit pauschalisierten und - entschuldige – abgedroschenen Vorurteilen einfach zu diskreditieren zu suchen, überzeugt jeden der nicht daran glauben WILL vermutlich ebenso wenig wie die besagte Untersuchung des Herstellers von Abnehmpillen. Da hättest du dir auch einfach deine Antwort sparen können und stattdessen freundlich darauf hinweisen, dass du in diesen Dingen deine eigene Meinung hast, die du aber nicht weiter kommentieren willst. Diese Antwort wäre respektabler gewesen.

Und trotzdem – ich sehe eine gewisse Hoffnung. Auch für mich ist der Grundsatz "Tue was du willst (als das einzige Gesetz)" ein wesentliches Leitmotiv. So unterschiedlich scheinen wir in unserem Denken also gar nicht zu sein – nur vielleicht in der Auffassung dessen was „Wollenswert“ bzw. der Wille Gottes ist.
Deshalb diesbezüglich nur noch einmal eine Klarstellung zum Abschluss. Andersdenkende zu verfolgen käme mir nie in den Sinn, auch wenn ich anerkenne, dass dies in unserer Geselschaft oft schnell passieren kann. (Erlebe ich übrigens nicht anders) Denn iIch habe überhaupt kein Problem damit, dass ein anderer eine von mir abweichende Auffassung vertritt. Ganz im Gegenteil – wenn du der Meinung bist, dass ein Verbot der Prügelstrafen nicht richtig sei, dann musst und sollst du das sagen dürfen. Andernfalls ließe sich in einer Diskussion ja auch nicht das für und wider erörtern und man könnte sich keine eigene Meinung bilden. Verurteilen müsste man dich nur für die Tat, da sie gegen das Gesetz und die Rechte eines Dritten wäre.
Und da sind wir beim entscheidenden Punkt. Du hast mit Sicherheit jedes Recht dazu das zu tun, von dem du glaubst, dass es das richtige ist. Eine Freiheit und Autonomie, die ich auch jedem gegenüber verteidigen würde. Aber bei dir selbst endet diese Autonomie. Auch das sollte ein wesentlicher Kerngedanke dieses Leitmotivs sein. Und deshalb muss die Handlungsfreiheit eines jeden beschnitten ein, wo er in die wesentlichen Grundrechte eines anderen eingreift – auch bei den eigenen Kindern. Und körperliche Unversehrtheit gehört da meiner Meinung nach nun mal ganz grundlegend dazu.
So... genug für heute. Dir erst einmal eine gute und gesegnete Restwoche noch.
Ich hoffe du darfst dein Wochenende in der Gemeinschaft deiner Familie genießen.
Grüße
Kaspar